"A journalist who is also a bad programmer, stylized in the style of Gary Larson"

Späte Genugtuung

Dieser Artikel wurde am 6.5.09 aktualisiert – siehe unten.

Das hier habe ich dann doch mit einer gewissen Genugtuung zur Kenntnis genommen:

Die Bahn hat offenbar 2007 Schatten-PR betrieben gegen den Lokführerstreik – zum einen, in Form etwa von Meinungsäußerungen in Foren und „User“-Videos, zum anderen über die Berliner Politikberatungs-Firma berlinpolis GmbH, die indirekt von der Bahn einen Auftrag erhielt: Die Bahn hatte die Lobbyfirma EPPA bezahlt, und die hat wiederum berlinpolis mit einem Auftrag bedacht.

Nun ist diese Firma berlinpolis während des Lokführer-Streiks im Oktober 2007 prominent in Erscheinung getreten – mit einer Umfrage, mit der belegt werden sollte, dass die Deutschen den Streik allmählich satt hatten. Was ja so unwahrscheinlich nicht klang – schließlich dauerte der Streik schon über ein Vierteljahr an – und vermutlich kaum aufgefallen wäre, hätte nicht wenige Stunden davor der ARD-Deutschlandtrend das genaue Gegenteil behauptet: die Deutschen hätten mehrheitlich Verständnis für den Streik. Als amtierender Redakteur vom Dienst bei hr-iNFO hatte ich an diesem Morgen Gelegenheit und Zeit, mich darüber zu wundern, und – seltener Luxus: der Sache in Ruhe nachzugehen. Also fragte ich nach. Was nicht in das Radiostück zum Thema passte, konnte ich in einen Blogeintrag im hr-iNFO-Blog stecken, den ich hier als Arbeitsprobe archiviert habe, leider ohne die zugehörigen Audios, das Interview mit dem berlinpolis-Geschäftsführer hier: [media id=31 width=400 height=20] Der Eintrag hatte die Ehre, ganz gut verlinkt zu werden; leider gibt es das hr-iNFO-Blog nicht mehr (was wieder eine andere Geschichte ist).

Was ich damals weder beweisen noch behaupten konnte, sondern allenfalls vermuten konnte, scheint Lobbycontrol jetzt belegt zu haben: Als mir berlinpolis-Geschäftsführer Daniel Dettling damals am Telefon sagte: “Wir sind keine Bahn-Lobbyisten, wir sind Zukunftslobbyisten”, da hat er nicht die volle Wahrheit gesagt.

Die tendenziöse Umfrage übrigens scheint nicht mehr auf den Seiten von berlinpolis zu finden zu sein.

berlinpolis und das Netz – eine Anekdote am Rande

Was berlinpolis übrigens auch geändert hat, ist das Redaktionssystem hinter der eigenen Webseite – inzwischen tut dort das großmächtige Redaktionssystem „Typo3“ seinen Dienst, damals präsentierten sie sich über ein hübsch angezogenes WordPress-Blog. Das führte dann in Zusammenhang mit meinem Blogeintrag mit einem Seiteninhalt, der berlinpolis auch nicht wirklich recht sein konnte: Der Webmaster hatte zwar die Möglichkeit zur Kommentierung unter Seiten und Artikeln abgestellt – hatte aber vergessen, dass Kommentare nicht nur eingegeben werden können, sondern auch von anderen Blogs automatisch erzeugt werden – über den „Trackback“-Mechanismus. Und das führte dazu, dass unter all den berlinpolis-Seiten ausgerechnet die eine zur Umfrage ausgerechnet einen Kommentar enthielt – einen Verweis auf den kritischen Eintrag in unserem kleinen Blog…

Nachtrag, 14:24 Uhr: Lobbycontrol hat die Hintergründe der Bahn-Einflussnahme recherchiert und in einer Kurzstudie zusammengefasst. Hier zum Download: „Die verdeckte Einflussnahme der Deutschen Bahn“ [pdf]

Nachtrag, Stand 3.6.: Nachdem berlinpolis sich in der vergangenen Woche zu einem Dementi genötigt sah, das nicht nur nach Ansicht von Lobbycontrol keins ist, recherchieren eifrige Redaktionen weiter – und sind unter anderem bei mir gelandet: Ob sich der O-Ton von Herrn Dettling nicht doch irgendwo auftreiben ließe? Nun, sonst hebe ich eigentlich alles auf – in diesem Fall war’s aber reiner Zufall: auf einem der hr-online-Server in einem vergessenen und längst nicht mehr verlinkten Verzeichnis fand sich der Mitschnitt des Gesprächs mit dem berlinpolis-Gründer; hilfsbereiten Kollegen sei dank.


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